Vielfalt bereichert uns alle

LSBTIQ* in der Arbeitswelt

Im Juni als „Pride Month“ haben weltweit wieder Menschen der LSBTIQ*-Community den offenen Umgang mit ihrer sexuellen Orientierung und Identität sowie die Vielfalt in der Gesellschaft gefeiert. Sie haben aber auch auf Ungerechtigkeiten, Stigmatisierungen und Ausgrenzungen aufmerksam gemacht, die queere Menschen erfahren. Wie können wir in der Arbeitswelt Gleichberechtigung und Chancengleichheit für LSBTIQ* herstellen und deren Diskriminierung unterbinden?

„Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften gehen aktiv gegen jede Form der Diskriminierung vor. Wir vertreten 5,6 Millionen Mitglieder, die so vielfältig sind wie die Gesellschaft selbst. Selbstverständlich gehört es auch zu unseren Aufgaben, uns für die Rechte von LSBTIQ* stark zu machen“ sagt Reentje Streuter, Referatsleiter Antidiskriminierungsrecht/-politik beim DGB. „Als Gewerkschaftsbund haben wir dabei vor allem die Arbeitsbedingungen im Blick. Wir wollen eine diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung mit gleichen Rechten und Chancen für alle schaffen – unabhängig von der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.“

Wirklich erforscht ist die Arbeitssituation queerer Menschen nicht. Eine im September 2020 erschienene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft und der Universität Bielefeld besagt, dass 30 Prozent der LSBTIQ*-Menschen Diskriminierung am Arbeitsplatzen erfahren. Dies können abwertende Bemerkungen im Kolleg*innenkreis ebenso sein wie konkrete Benachteiligungen etwa bei Bewerbungen oder Beförderungen.

Sichtbar gegen Diskriminierung

Wie kann man in Betrieben, Behörden oder Unternehmen dagegen vorgehen? Eine Beschwerdestelle für Fälle von Mobbing, Diskriminierung und Benachteiligung oder betreffende Betriebsvereinbarungen (BV) sind mögliche Maßnahmen, die in zahlreichen Betrieben bereits existieren. „Bei einer BV ist die Frage: Wird sie wirklich gelebt?“, weiß Carsten Bock, Mitglied des Queer-Bundesarbeitskreises beim DGB und Sprecher des Bundesarbeitskreises Regenbogen bei ver.di. „Werden Fälle erfasst und ausgewertet, gibt es Möglichkeiten der Intervention, ist da jemand, der sich für einen einsetzt? Der Arbeitgeber muss sichtbar machen, dass sich das Unternehmen engagiert und gegen Diskriminierungen vorgeht.“

Carsten empfiehlt, sich in Fällen von Diskriminierung, wenn es keinen spezifischen Ansprechpersonen im Betrieb gibt, an den Betriebs- oder Personalrat zu wenden und ggf. den gewerkschaftlichen Rechtsschutz hinzuzuziehen. „Auf der anderen Seite sollten die Unternehmen ihre Führungskräfte in LSBTI-Fragen schulen. Wer Personalverantwortung trägt, darf sich dabei nicht von eigenen moralischen Maßstäben oder Vorurteilen hinsichtlich sexueller Identität oder Orientierung beeinflussen lassen.“ Grundsätzlich habe sich die Haltung der Arbeitgeber gegenüber queeren Beschäftigten geändert, meint Carsten: „Bis auf Ausnahmen ist die sexuelle Orientierung oder Identität heute kein Grund mehr, jemanden nicht einzustellen – nicht zuletzt wegen der Situation am Arbeitsmarkt.“ Es werde außerdem erkannt, dass Vielfalt die Unternehmen bereichert, dass unterschiedliche Sichtweisen, Erkenntnisse, Denkansätze und Handlungsoptionen nicht zuletzt auch wirtschaftliche Vorteile bringen.

Queer als Selbstverständlichkeit

„Diskriminierung am Arbeitsplatz findet nicht mehr mit dem Holzhammer statt, sondern mit dem Skalpell“, meint Dirk Jehle, Personalrat bei der Düsseldorfer Stadtverwaltung und Vorsitzender der Projektgruppe der Lesben und Schwulen in der SPD Düsseldorf. Betreffende Vorfälle seien oft schwierig zu greifen und keine eindeutigen Verstöße, die man mit arbeitsrechtlichen Schritten ahnden könne. „Man braucht in den Betrieben immer eine*n Vorprescher*in. Eine Person etwa im Vorstand, in der Geschäftsführung oder im Personalbereich muss sagen: Wir möchten hier Vielfalt haben, queerfeindliches und diskriminierendes Verhalten wird bei uns nicht geduldet.“ Er hebt zudem Beschäftigtennetzwerke für LSBTIQ* als große Unterstützung hervor, wie es auch bei der Stadt Düsseldorf eines gibt.

Dirk und Carsten sind sich einig, dass inzwischen mit Blick auf queer am Arbeitsplatz das Thema Transgender die größte Bedeutung hat. Einige Unternehmen oder Institutionen, wie etwa die Telekom oder die Bundeswehr, haben bereits Transitionsleitfäden. „Transitionsrichtlinien sollte jedes Unternehmen mindestens ab einer mittleren Größe haben. Eine Transition bringt vielfältige Anforderungen auch am Arbeitsplatz mit sich und Unternehmen sollten einen klaren Plan haben, wie sie damit umgehen, bevor der oder die erste Beschäftigte deswegen an sie herantritt.“ Den Transmenschen empfiehlt Carsten, sich im Betrieb eine Vertrauensperson (etwa im Betriebsrat oder in der Personalabteilung) zu suchen und mit dieser abzusprechen, wann und was wem gegenüber (Führungskräfte, Kolleg*innen, Kund*innen) geoutet wird.

Queer-Arbeit beim DGB

Beim DGB gibt es seit 2018 den Bundesarbeitskreis LSBTTIQQAAP+ (steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle, Queer, Questioning, Asexuelle, Alliierte, Pansexuelle), in den die Mitgliedsgewerkschaften Vertreter*innen entsenden. Dort werden Ideen und Strategien entwickelt, die der DGB dann auf Bundesebene angeht. Die LSBTIQ*-Strukturen in den DGB-Bezirken sind verschieden stark ausgeprägt. Im DGB Bundesvorstand spielt die Lobbyarbeit mit Blick auf „queere“ Anliegen eine wichtige Rolle. „Wir müssen die Politik dazu bringen, eine Gesetzeslage zu schaffen, die gerade in der Arbeitswelt Diskriminierung von queeren Menschen verhindert“, betont Reentje. Der DGB bringt sich derzeit beispielweise in den Nationalen Aktionsplan „Queer leben“ der Bundesregierung ein. Darüber hinaus hat sich der Gewerkschaftsbund in einer Stellungnahme zum Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes geäußert. Auch in die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und die Modernisierung des Familienrechts (Stichwort „Verantwortungsgemeinschaft) bringt der DGB betreffende Forderungen ein.

„Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung hat weder in der Arbeitswelt noch sonst wo Platz. Der DGB steht Seite an Seite mit der LSBTIQ*-Community", so Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied.

Der Berlin-Brandenburger Arbeitskreis Queer von ver.di im Gespräch mit Berlins regierendem Bürgermeister Kai Wegener (CDU, 4.v.l.) auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest in Berlin (15.07.23)