Neustart der Einwanderungsgesellschaft – Ankommen. Arbeiten. Organisieren.

Migrationspolitische Tagung von ver.di in Berlin

Ankommen, arbeiten, organisieren – drei Schlagworte im Titel der ver.di-Konferenz, die die aktuellen integrationspolitischen Herausforderungen pointiert zusammenfassen. Rund 200 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter kamen am 23. und 24. September im Berliner ver.di-Hauptsitz zusammen, um aus gewerkschaftlicher Sicht zu diskutieren, wie eine solidarische und gerechte Einwanderungsgesellschaft gestaltet werden kann.

Zum Auftakt überbrachte Giovanni Pollice, der Vorsitzende der Gelben Hand, den Kolleginnen und Kollegen von ver.di ein Grußwort, in dem er dazu aufrief, sich als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter den aktuellen rassistischen und rechtspopulistischen Strömungen in der Gesellschaft aktiv entgegenzustellen: „Gleichgültigkeit kann nicht unsere Devise sein! Wir müssen die demokratischen Grundwerte unserer offenen, pluralistischen Gesellschaft jeden Tag neu verteidigen." Diesen kämpferischen Ton griff der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Frank Bsirske, in seiner sich anschließenden Grundsatzrede auf. Die AfD wolle zurück in ein homogenes, nationales Deutschland der 50er Jahre. Dies sei nichts anderes als ein Kulturkampf von rechts. „Und wir nehmen diesen Kulturkampf an!", unterstrich der ver.di- Vorsitzende. „Grenzen des Sagbaren" hätten sich in der gesellschaftlichen Debatte verschoben, dies sei besorgniserregend. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Flüchtlingsmigration betonte Bsirske, dass schon vorhandene soziale Probleme jetzt erst offen zu Tage treten würden, weshalb Investitionen in Wohnraum, Kitas und Bildung nötig seien. Denn oftmals sei soziale Entsicherung Ursache für das „Bedrohtheitsgefühl". Auf dem Arbeitsmarkt gefährde vor allem Lohndumping den sozialen Zusammenhalt. Daher seien auch die im Integrationsgesetz der Bundesregierung geschaffenen 100 000 Ein- Euro-Jobs für Geflüchtete kritisch zu sehen.

Prof. Naika Foroutan, stellvertretende Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations-und Migrationsforschung, konstatierte in ihrem Vortrag, dass man sich mittlerweile in einem „post-faktischen" Zeitalter befinde, wo subjektive Bedrohungsgefühle nicht mehr auf einer reellen faktischen Grundlage stünden. Hinsichtlich des bis in die Mitte verankerten Rassismus, vor allem in den neuen Bundesländern, plädierte sie für eine Art „Demokratieprogramm", für mehr politische Bildung, und forderte einen Diskurswechsel hin zu einem positiven Leitbild für unsere vielfältige Einwanderungsgesellschaft. Der Göttinger Sozialwissenschaftler Dr. Peter Birke ging auf Parallelen und Unterschiede zwischen der damaligen „Gastarbeiter"-Zuwanderung und der aktuellen Flüchtlingsmigration ein. Er warnte eindringlich vor der Gefahr der Prekarisierung, der Unterschichtung des Arbeitsmarktes, durch neoliberale Strategien: „Hier sind starke Gewerkschaften wichtig."

Nach dem Input der Experten wurden die Kolleginnen und Kollegen in vier Foren selbst aktiv. Integration der Geflüchteten und Anti-Diskriminierung in den Betrieben waren zentrale Themenfelder der Workshops, die dann auch auf der abschließenden Podiumsdiskussion aufgegriffen wurden. Ver.di-Vorstandsmitglied, Eva Welskop-Deffaa diskutierte mit dem Ökonomen Prof. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, und Erdogan Kaya, dem Vorsitzenden des ver.di-Bundesmigrationsausschusses, die Integrationspolitik und den Umgang mit der Vielfalt in der Gesellschaft, der Arbeitswelt, aber auch in der Gewerkschaft. Einig waren sich die Diskutanten darin, dass Teilhabe und Chancengleichheit für alle verwirklicht werden müsse – und dass ver.di dafür kämpfen wird.

Mehr Impressionen zur Tagung auf: https://arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++9754f046-8f7e-11e6-a80a-525400ed87ba 

v.l.: Giovanni Pollice, Vorsitzender Gelbe Hand, Frank Bsirkse, ver.di-Vorsitzender, Marco Jelic, Redakteur Gelbe Hand