Das neue Wir

11. Bundesmigrationskonferenz der IG Metall in Sprockhövel

Gestandene Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter hatten am Ende Tränen in den Augen. So bewegend war das Gedicht, das Sebastiano Ritacco aus dem IG-Metall Bezirk Bayern zum Abschluss des ersten Konferenztages vortrug. Ein Gedicht über die dramatischen Gründe und Ursachen der Flucht. Symbolkräftig untermalt wurden die Worte von Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne mit roten Schwimmwesten, auf denen Namen der vielen Menschen standen, die auf ihrer Flucht im Mittelmeer umkamen. Der ganze Konferenzsaal stand zum Schluss auf als Zeichen der Anteilnahme. Fast schon eine sinnbildliche Szene für das Motto der 11. Bundesmigrationskonferenz der IG Metall: „Das neue Wir“. Rund 200 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter kamen am 8. und 9. Juni in Sprockhövel zusammen, um über Vielfalt, Integration und den Kampf gegen Rechtspopulismus zu diskutieren. Auch der Kumpelverein war mit dem Vorsitzenden Giovanni Pollice und dem Referenten Mark Haarfeldt mit einem Stand vor Ort.

Die zweite Vorsitzende der IG Metall, unser Fördermitglied, Christiane Benner, machte in ihrer Rede zu Beginn unmissverständlich klar, welche Werte für die Gewerkschaft elementar sind: „Wir wollen auch in Zukunft unseren Beitrag für eine offene Gesellschaft leisten, in der gute Arbeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe für alle gesichert sind. Für eine Gesellschaft, in der Solidarität und Menschlichkeit weiterhin Werte sind, die unser Zusammenleben prägen. Und deshalb werden wir auch immer gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eintreten! Gerade heute!“ Denn Vielfalt sei mittlerweile eine gesellschaftliche Realität, so Benner. Egal ob im Sport, im Betrieb – oder in der Nachbarschaft. Im Hinblick auf die Geflüchteten liege der Schlüssel zur Integration in Sprache, Qualifikation und Arbeit. Daher habe die IG Metall das betriebliche Integrationsjahr vorgeschlagen. Eine Aufweichung des Mindestlohns sei mit der IG Metall nicht zu machen: „Prekäre Arbeit schafft keine Integration“, betonte Benner.

Auch Vanessa Barth, Funktionsbereichsleiterin Zielgruppenarbeit und Gleichstellung, appellierte in ihrer Begrüßung an den gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen im Angesicht des Drucks von rechts. Wir müssen uns konzentrieren auf das, was uns eint!“ Ein einigendes Leitbild statt Ausgrenzung forderte ebenso Prof. Naika Foroutan von der Humboldt-Universität Berlin in ihrem Vortrag. Es gehe oftmals nicht um eine Arbeitsplatzdiskussion, wenn Ressentiments zu Tage treten würden. Der strukturelle Rassismus basiere vielmehr auf „gefühlten Kulturängsten“, denen keine konkreten Erfahrungen zugrunde liegen würden. Die Wissenschaftlerin plädierte daher dafür, endlich ein Leitbild für die vielfältige Einwanderungsgesellschaft zu entwerfen: „Wir brauchen eine Zukunftsvision!“

Von der Vision zu ganz pragmatischen, gewerkschaftlichen Handlungsfeldern im Betrieb ging es dann für die Teilnehmenden in die Workshops. Solidarische Integration von Geflüchteten, aber auch Strategien gegen Rechtspopulismus, über die Mark Haarfeldt von der Gelben Hand referierte, waren zentrale Themen. Dass die IG Metall sich bei der Integration Geflüchteter schon auf den Weg gemacht hat, verdeutlichten die im Laufe der Konferenz vorgestellten Best-Practice-Beispiele wie das Qualifizierungsprojekt der IG Metall Düsseldorf-Neuss und Mypegasus. Diese IG Metall-Projekt wird in der Handreichung der Gelben Hand „Flüchtlinge schützen, Rassismus entgegentreten“ ebenfalls näher vorgestellt. Aber auch das Bildungszentrum in Sprockhövel hat seinen Beitrag geleistet, indem es drei Geflüchteten Praktika ermöglichte, was – wie der Leiter der Bildungszentrums Fritz Janitz berichtete – den jungen Hasan sogar vor der Abschiebung bewahrte, weil er der Ausländerbehörde einen Praktikumsvertrag vorlegen konnte. Das ist das gelebte, neue „Wir“ der IG Metall.