3 Fragen – 3 Antworten

Interview mit Eva Welskop-Deffaa, ver.di-Bundesvorstandsmitglied zuständig für Migration

Im Zuge der Flüchtlingsdebatte nimmt die politische Polarisierung zu, Rassismus wird immer salonfähiger. Der Betrieb ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wie können Gewerkschaften gegen diese Tendenzen vorgehen?

Es gibt kein Zaubermittel gegen Ausländerfeindlichkeit. Wo sich Ressentiments gegen Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe erst einmal eingenistet haben, entfalten sie häufig eine ziemliche Beharrungskraft. Im Betrieb können Betriebsräte und Vertrauensleute der Gewerkschaften aber dazu beitragen, Vorbehalte und Misstrauen abzubauen, indem sie kollegiale Gemeinsamkeiten erfahrbar machen. Von dem neuen Schichtplan beispielsweise sind migrantische Kolleginnen und Kollegen genauso betroffen wie Kolleginnen und Kollegen, deren Familien schon immer in Deutschland gelebt haben. Gemeinsam und solidarisch kann die Belegschaft den Arbeitgeber veranlassen zu handeln und bessere Lösungen zu suchen. Ein gemeinsamer Erfolg schmiedet zusammen.

Im Betrieb klappt es also besser. Umso wichtiger ist es, dass die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gelingt. Welchen Beitrag können die Gewerkschaften leisten?

Die Gewerkschaften leisten ihren Beitrag zum Gelingen des Zusammenlebens im Betrieb, auf dem Arbeitsmarkt und darüber hinaus. An vielen Stellen engagieren sich aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, ehren- und hauptamtlich, für die gesellschaftliche Solidarität. Aktuell sind viele ver.di-Aktive dabei, mit den Arbeitgebern und mit Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit, Möglichkeiten der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in die Tat umzusetzen. Die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen, die in den Gremien der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit aktiv sind, haben das ihre dazu beigetragen, dass Maßnahmen der BA für Geflüchtete entwickelt und durch entsprechende gesetzgeberische Rahmungen ermöglicht werden. Das Programm „Early Interventions" z.B. hat als Pilotprojekt Pilotprojekt der BA im vergangenen Jahr die frühe Kompetenzfeststellung von Geflüchteten initiiert. Und im Oktober 2016 hat der Verwaltungsrat der BA ein „Kooperationsprojekt" für anerkannte Flüchtlinge und Schutzsuchende auf den Weg gebracht, in dem Integrationskurs, Spracherwerb und Aneignung beruflicher Kenntnisse modular miteinander verbunden werden. Es richtet sich vor allem an Geflüchtete mit schlechter beruflicher Vorbildung, die älter sind als 25 Jahre. Die Gewerkschaften sind also auf vielen Ebenen aktiv.

Betrachtet man die Vielfalt unter den Mitgliedern sind Gewerkschaften im Grunde auch Migrantenorganisationen. Wie lässt sich die Teilhabe und Partizipation der Migranten stärken – in der Gewerkschaft wie in der Gesellschaft?

Viele Migranten und Migrantinnen in Deutschland haben eine sehr positive Einstellung zu Gewerkschaften und trauen ihnen zu, ihre Interessen im Erwerbsleben erfolgreich zu vertreten. Der wichtigste nächste Schritt, der jetzt zu tun ist, ist die Ansprache migrantischer Kollegen und Kolleginnen. Viel zu viele sind noch nie gefragt worden, ob sie in ver.di, IGBCE oder IG Metall Mitglied werden wollen. Unsere Aufgabe ist es erfahrbar zu machen, wie sehr wir uns freuen, wenn wir neue Mitglieder unter den „Neudeutschen" gewinnen, um damit ihre Teilhabe zu stärken.

Eva Maria Welskop-Deffaa, ver.di-Bundesvorstandsmitglied u. Fördermitglied der Gelben Hand